Richtiges Verhalten bei Notfällen im Gebirge: Schritt-für-Schritt-Anleitung

Richtiges Verhalten bei Notfällen im Gebirge: Schritt-für-Schritt-Anleitung

1. Vorbereitung und Prävention

Wichtige Maßnahmen zur Vermeidung von Notfällen im Gebirge

Eine gute Vorbereitung ist der wichtigste Schritt, um Notfälle im Gebirge zu vermeiden. Wer sich gut vorbereitet, sorgt nicht nur für die eigene Sicherheit, sondern schützt auch seine Mitwanderer. Nach den Empfehlungen des Deutschen Alpenvereins (DAV) gibt es einige zentrale Punkte, die du beachten solltest.

Tourenplanung

Bevor du losgehst, solltest du deine Tour sorgfältig planen. Informiere dich über die Route, Schwierigkeitsgrade und aktuelle Bedingungen. Nutze dazu bewährte Plattformen wie alpenvereinaktiv.com oder DAV-Kartenmaterial. Schätze ehrlich dein Können ein und plane Pausen sowie Alternativrouten ein.

Kriterium Empfehlung
Schwierigkeit An das eigene Können anpassen
Dauer & Distanz Realistisch einschätzen & Zeitreserven einplanen
Pausen Regelmäßig kurze Pausen für Energie und Orientierung
Notfallpunkte Wichtige Notrufnummern & Standorte notieren

Wettercheck vor dem Start

Das Wetter in den Bergen kann sich rasch ändern. Prüfe daher immer vor dem Start verlässliche Wetterdienste wie den DWD Bergwetterbericht. Beachte Warnungen vor Gewittern, starkem Wind oder Schneefall. Bei unsicherer Wetterlage lieber auf eine andere Tour ausweichen.

Ausrüstung nach DAV-Empfehlung

Die richtige Ausrüstung ist entscheidend für deine Sicherheit. Der DAV empfiehlt folgendes Grund-Equipment für Bergtouren:

Ausrüstungsgegenstand Zweck/Anmerkung
Bergschuhe mit Profilsohle Sicherheit & Halt auf unterschiedlichen Untergründen
Wetterfeste Bekleidung (Mehrlagensystem) Schutz vor Regen, Wind & Kälte; flexibel anpassbar
Karte/Kompass/GPS-Gerät Navigationshilfe auch ohne Handyempfang
Kleine Apotheke inkl. Blasenpflaster & Erste-Hilfe-Set Soforthilfe bei Verletzungen
Mütze, Handschuhe & Sonnenbrille Schutz vor Sonne & Kälte – auch im Sommer wichtig!
Energieriegel & ausreichend Wasser (mind. 1,5 Liter) Energiezufuhr & Flüssigkeitsversorgung sichern
Ladegerät/Powerbank fürs Handy Erreichbarkeit im Notfall gewährleisten
Pfeife/Sicherheitsdecke/Lampe (Stirnlampe) Schnelle Signalisierung im Ernstfall möglich machen
Tipp: Checkliste nutzen!

Nutze vor jeder Tour eine persönliche Ausrüstungs-Checkliste nach DAV-Vorbild. So vergisst du keine wichtigen Gegenstände und bist bestens vorbereitet.

2. Richtiges Verhalten im Notfall

Schrittweises Vorgehen bei einem Zwischenfall

Ein Notfall im Gebirge kann jederzeit passieren – wichtig ist, ruhig und besonnen zu handeln. Hier findest du eine einfache Schritt-für-Schritt-Anleitung, wie du dich in einer solchen Situation richtig verhältst:

Ruhe bewahren

Auch wenn die Lage angespannt ist: Atme tief durch und versuche, einen klaren Kopf zu behalten. Panik führt oft zu weiteren Fehlern oder Gefahren.

Gefahrenstelle sichern

Bevor du weitergehst, sichere zuerst den Unfallort. So schützt du dich selbst und andere vor zusätzlichen Risiken wie Steinschlag, Absturz oder Wetterumschwung.

Gefahrensituation Sofortmaßnahme
Steinschlag Abseits der Falllinie positionieren, Helm aufsetzen
Abrutschgefahr am Hang An sicheren Punkt ausweichen, ggf. mit Seil sichern
Unwetter zieht auf Schutz suchen (z.B. unter Felsvorsprung), Gruppe zusammenhalten

Erste Beurteilung der Situation vornehmen

Analysiere ruhig die Lage: Wer ist verletzt? Welche Ausrüstung steht zur Verfügung? Wie ist das Wetter? Gibt es Handyempfang für einen Notruf?

Checkliste zur Lagebeurteilung Fragen zur Einschätzung
Personenanzahl & Zustand Sind alle ansprechbar? Gibt es Schwerverletzte?
Ausrüstung & Material Sind Verbandsmaterial, Biwaksack oder Erste-Hilfe-Set vorhanden?
Wetter & Umgebung Könnte sich das Wetter verschlechtern? Wo ist der nächste sichere Ort?
Möglichkeiten zur Alarmierung Gibt es Mobilfunknetz oder muss jemand Hilfe holen?
Praxistipp aus der Alpenregion:

Bergsteigerinnen und Wanderer in Deutschland tragen häufig ein voll ausgestattetes Erste-Hilfe-Set sowie eine Rettungsdecke im Rucksack. Das kann im Ernstfall entscheidend sein! Wer regelmäßig in den Bergen unterwegs ist, sollte auch die wichtigsten Notrufnummern (z.B. 112) kennen und wissen, wie man seinen Standort per GPS weitergibt.

Notruf absetzen und Kommunikation

3. Notruf absetzen und Kommunikation

Europäischen Notruf (112) richtig absetzen

Im Gebirge kann ein Notfall schnell passieren. Wichtig ist, dass du ruhig bleibst und einen klaren Notruf absetzt. In ganz Europa gilt die Notrufnummer 112. Sie funktioniert auch ohne Handyempfang bei manchen Netzanbietern oder mit jedem verfügbaren Netz.

So gehst du beim Absetzen des Notrufs vor:

Schritt Was tun?
1. Ruhe bewahren Tief durchatmen und Überblick verschaffen.
2. 112 wählen Anrufen, auch wenn kein Netz angezeigt wird.
3. Die fünf W-Fragen beantworten
  • Wo? Standort so genau wie möglich angeben (z.B. Gipfelname, Wegnummer, markante Punkte).
  • Was? Was ist passiert? (z.B. Sturz, Verletzung)
  • Wie viele? Wie viele Personen sind betroffen?
  • Welche Art von Verletzungen?
  • Wer meldet? Name und Rückrufnummer angeben.
4. Rückfragen abwarten Nicht sofort auflegen, sondern warten, ob die Leitstelle weitere Informationen benötigt.

Koordinaten übermitteln – So geht’s richtig!

Im Gebirge sind Ortsangaben oft schwierig. Am besten nutzt du dein Smartphone oder GPS-Gerät, um genaue Koordinaten zu übermitteln. In Deutschland ist es üblich, das UTM-Format oder Längen-/Breitengrade durchzugeben.

Beispiel für Koordinaten:

Methode Eingabe-Beispiel
Längen-/Breitengrad (Dezimal) 47.567890, 11.345678
Längen-/Breitengrad (Grad/Min/Sek) N 47°34’04”, E 11°20’44”
UTM-Koordinaten 32T 674123 5278900

Tipp: Viele Outdoor-Apps wie „Alpenvereinaktiv“ oder „Komoot“ zeigen dir die Koordinaten direkt an.

Bergwacht Bayern & Rettungskräfte: Effizient kommunizieren

Spezielle Hinweise für den Kontakt mit der Bergwacht:

  • Kurz & präzise bleiben: Beschreibe Situation und Ort so exakt wie möglich.
  • Auffällige Kleidung: Trage helle Farben oder breite deine Regenjacke gut sichtbar aus.
  • Sichtzeichen geben: Winken, Taschenlampe blinken oder eine Signalpfeife nutzen, wenn der Helikopter naht.
  • Nicht bewegen: Bleibe am gemeldeten Ort bis zur Ankunft der Retter – außer es besteht akute Gefahr (Steinschlag etc.).
Noch ein Tipp:

Lade dir vor deiner Tour die App „SOS-EU-Alp“ herunter – sie erleichtert im Ernstfall die Übermittlung deines Standorts direkt an die Leitstellen in Bayern und Österreich!

4. Erste Hilfe am Berg

Grundlegende Maßnahmen bei alpinen Notfällen

Im Gebirge kann schnelle und angepasste Erste Hilfe Leben retten. Die besondere Umgebung erfordert spezielle Vorgehensweisen – von der richtigen Lagerung bis zum Wärmeerhalt. Hier findest du eine Schritt-für-Schritt-Anleitung für häufige Situationen am Berg.

Wärmeerhalt: Schütze dich und andere vor Unterkühlung

Bedingungen im Gebirge können schnell zu Auskühlung führen, selbst im Sommer. Hier einige Tipps, wie du effektiv für Wärme sorgst:

Maßnahme Praktische Umsetzung
Wärmefolie verwenden Silberne Seite zum Körper, um Wärme zu reflektieren
Zusätzliche Kleidung anlegen Trockene Jacken, Mützen oder Handschuhe nutzen
Körperkontakt herstellen Bei Bewusstlosigkeit vermeiden, aber sonst sinnvoll (z.B. eng zusammenrücken)
Luftzug und Nässe meiden Winddichte Schicht außen anbringen, Unterlage gegen Bodenkälte nutzen (Rucksack, Isomatte)

Lagerung: Richtig lagern je nach Verletzung

Die richtige Lagerung ist entscheidend, um Kreislaufprobleme oder weitere Schäden zu vermeiden:

Situation Empfohlene Lagerung
Kreislaufschock (z.B. nach Sturz) Beine hochlagern, Oberkörper flach
Atemnot / Lungenprobleme Oberkörper erhöht lagern (z.B. Rucksack unter den Rücken)
Kopfverletzungen / Bewusstlosigkeit (bei Atmung) Stabile Seitenlage, Kopf vorsichtig stützen
Knochenbrüche / starke Schmerzen Körperteil vorsichtig polstern und ruhigstellen, bequeme Position suchen lassen

Umgang mit typischen Verletzungen am Berg

Folgende Verletzungen kommen in alpinen Regionen besonders häufig vor:

Schnitt- und Schürfwunden
  • Druckverband anlegen, Blutstillung priorisieren
  • Wunde möglichst sauber halten und abdecken (sterile Kompresse aus dem Erste-Hilfe-Set)
  • Infektionsgefahr beachten – Hände desinfizieren, wenn möglich Handschuhe tragen
Knochenbrüche und Verstauchungen
  • Gelenk oder Knochen ruhigstellen (Splint/Schiene improvisieren: Trekkingstock, Ast und Bandage)
  • Nicht unnötig bewegen lassen – auf Eigenrettung möglichst verzichten!
  • Kühlen mit Schnee oder kaltem Wasser (wenn verfügbar), aber nicht direkt auf die Haut legen
Kopfverletzungen und Bewusstlosigkeit
  • Atmung kontrollieren – bei normaler Atmung stabile Seitenlage einnehmen lassen
  • Niemals Flüssigkeiten geben!
  • Puls und Bewusstsein regelmäßig prüfen bis Rettungskräfte eintreffen

Tipp: Alpin angepasste Ausrüstung für die Erste Hilfe

  • Kompaktes Erste-Hilfe-Set mit Signalpfeife, Rettungsdecke und Dreieckstuch immer im Rucksack mitführen
  • Mullbinden und Tape eignen sich gut zum Stabilisieren von Brüchen oder Verstauchungen unterwegs
  • Ersatz-Handschuhe sowie Desinfektionsmittel gehören zur Grundausstattung in den Bergen dazu!

5. Ausharren und Orientierung

Was tun, wenn Hilfe auf sich warten lässt?

Im Gebirge kann es trotz guter Vorbereitung passieren, dass man auf Rettung warten muss. In solchen Situationen ist besonnenes Handeln besonders wichtig. Bleiben Sie möglichst ruhig und vermeiden Sie unnötige Anstrengungen, um Ihre Kräfte zu schonen.

Empfehlungen für das richtige Verhalten beim Warten

Situation Empfohlenes Verhalten
Warten auf Rettung Ruhig bleiben, an einem sicheren Ort ausharren, Körper vor Kälte und Wind schützen
Kräfte einteilen Sitzend oder liegend Energie sparen, wenig bewegen, Nahrung und Wasser rationieren
Orientierung bewahren Lage regelmäßig überprüfen, markante Punkte merken, Karte und Kompass (falls vorhanden) nutzen

Signale richtig einsetzen

Um Retter auf sich aufmerksam zu machen, sind deutliche Signale essenziell. Verwenden Sie akustische oder optische Notrufzeichen:

  • Pfeife: Drei kurze Töne – Pause – wiederholen. Das ist das alpine Notsignal.
  • Lichtsignal: Mit Taschenlampe oder Stirnlampe sechsmal pro Minute blinken, dann eine Minute Pause.
  • Biwaksack ausbreiten: Leuchtende Farben erhöhen die Sichtbarkeit aus der Luft.

Übersicht: Notfallausrüstung sinnvoll nutzen

Ausrüstungsteil Einsatzmöglichkeit Tipp aus der Praxis
Biwaksack Schützt vor Wind, Regen und Kälte beim Warten auf Hilfe Biwaksack so großflächig wie möglich ausbreiten, um besser gefunden zu werden.
Signalpfeife Macht akustisch auf Ihre Position aufmerksam (besonders bei Nebel oder Dunkelheit) Pfeife immer griffbereit am Rucksack tragen.
Taschenlampe/Stirnlampe Dient als Lichtsignal in der Nacht oder bei schlechter Sicht Ersatzbatterien nicht vergessen!
Handy mit Notruffunktion Standort mitteilen und Kontakt zur Bergrettung halten (sofern Netz vorhanden) Ladezustand überwachen und Akku schonen.
Praxistipp:

Bauen Sie nach Möglichkeit einen kleinen Unterschlupf mit Ihrer Ausrüstung. Halten Sie sich warm und trocken – das schützt vor Unterkühlung und gibt Ihnen mehr Kraft für die Wartezeit.

6. Nach dem Notfall: Verhalten und Nachbereitung

Was nach der Rettung wichtig ist

Nach einem Notfall im Gebirge ist die Situation mit der erfolgreichen Rettung noch nicht komplett abgeschlossen. Es gibt wichtige Schritte, die du beachten solltest, um dich selbst, andere Beteiligte und auch zukünftige Touren bestmöglich abzusichern.

Eigensicherung nach dem Notfall

  • Körperliche Verfassung prüfen: Überprüfe deinen eigenen Zustand und den deiner Gruppe. Manchmal spürt man Verletzungen oder Erschöpfung erst nach dem Stress.
  • Schutz vor Witterung: Ziehe trockene Kleidung an, iss und trinke ausreichend, um Kreislaufproblemen vorzubeugen.
  • Ruhig bleiben: Gönn dir Zeit zur Erholung. Nach dem Adrenalinschub kann eine Phase der Schwäche auftreten.

Unterstützung der Rettenden

Die Bergwacht oder das Rettungsteam hat oft Fragen zum Ablauf des Unfalls. Hilf mit, indem du möglichst präzise Informationen gibst:

Thema Wichtige Angaben
Unfallhergang Kurz schildern, wie es zum Unfall kam (z.B. Sturz am Grat, Steinschlag)
Anzahl der Betroffenen Wer war beteiligt? Wer wurde verletzt?
Ausrüstung & Maßnahmen Welche Erste-Hilfe-Maßnahmen wurden getroffen? Welche Ausrüstung war im Einsatz?
Wetterbedingungen Bedingungen zum Zeitpunkt des Unfalls beschreiben (z.B. Nebel, Regen)

Dokumentation für Versicherung und Tourenbericht

  • Sofort notieren: Schreibe so bald wie möglich alle wichtigen Details auf – Uhrzeit, Ort, beteiligte Personen, genaue Abläufe.
  • Fotos machen: Falls möglich, fotografiere die Unfallstelle und relevante Ausrüstungsgegenstände (z.B. beschädigte Karabiner).
  • Versicherungsunterlagen vorbereiten: Viele Versicherungen verlangen einen detaillierten Bericht mit Zeugenangaben. Halte Namen und Kontaktdaten bereit.
  • Tourenbericht aktualisieren: Für deine eigene Dokumentation oder den Verein ist es hilfreich, besondere Vorkommnisse festzuhalten – das verbessert die Sicherheit bei künftigen Unternehmungen.
Tipp: Praktische Checkliste für die Nachbereitung
Punkt Erledigt?
Körperliche Verfassung geprüft [ ]
Daten für Versicherung gesammelt [ ]
Tourguppe informiert & Unterstützung angeboten [ ]
Bergwacht/Retter Rückmeldung gegeben [ ]
Tagesbericht/Tourenbuch aktualisiert [ ]

Mit diesen Schritten sorgst du dafür, dass ein Notfall im Gebirge nicht nur glimpflich ausgeht, sondern auch gut aufgearbeitet wird – das ist nicht nur für dich selbst wichtig, sondern auch für zukünftige Touren und die Gemeinschaft der Bergsportlerinnen und Bergsportler.